Website-Icon Mein Jahr in Bosnien und Herzegowina

Was mich in Bosnien überrascht hat

Dieser Beitrag soll bitte nicht verallgemeinernd als Zusammenfassung der Unterschiede zwischen Bosnien-Herzegowina und Deutschland aufgefasst werden. Ich werde lediglich nach 8 Monaten Aufenthalt in Bosanska Krupa endlich auf ein paar Unterschiede zwischen der Kultur und dem Umfeld, in dem ich aufgewachsen bin, und dieser bosnischen Stadt eingehen. Ich bin keine Expertin für ganz Bosnien oder Deutschland, ich verwende nur zur Vereinfachung die Ausdrücke „Bosnier“ und „Deutsche“. :) In den letzten Monaten musste ich mich an einige neue Dinge gewöhnen und habe einige Unterschiede festgestellt, die vor allem dann wieder deutlich wurden, als ich für eine Woche wieder in Deutschland war.

  1. Cafés als Treffpunkt für alle: Kaffee trinken können viele Bosnier zu jeder Uhrzeit und in den Cafés treffen sich Jung und Alt. Natürlich mag nicht jeder Kaffee, aber weil dieser mit 1KM (0,50€) das günstigste Getränk ist, wird es am häufigsten getrunken. Da die Schule erst um 12:45 Uhr beginnt, treffen sich viele Jugendliche mit ihren Freunden vor der Schule auf einen Kaffee. Ungewohnt für mich ist, dass man sich hier so gut wie nie zu Hause trifft, sondern sich mit seinen Freunden fast immer irgendwo draußen trifft. Mich hat zumindest noch nie jemand in meiner Wohnung besucht und ich war bei vielen Freunden nur einmal zum Essen eingeladen. Ob das bei den Erwachsenen genauso ist, kann ich nicht sagen, aber zumindest für die Jugendlichen ist es normal mit Freunden rauszugehen.Ich habe in Bosnien tatsächlich auch angefangen Kaffee zu trinken (und Muffins gebacken)
  2. Hä, was sind Anschnallgurte?: Ja ja, die Sicherheit im Auto ist hier so eine Sache. Vor ein paar Jahren wurde endlich die Anschnallpflicht für Beifahrer auf dem Vordersitz eingeführt, vorher musste nur der Fahrer sich anschnallen. Die Gurte hinten sind allenfalls zur Dekoration da. :D Am Anfang wollte ich mich noch anschnallen, habe aber entweder komische Blicke bekommen oder das ist gar nicht möglich, weil eine Decke über den Sitzen liegt. Immer diese Deutschen, die sich anschnallen, ich meine wie kann man nur auf Sicherheit achten? :D Spaß beiseite, irgendwann habe ich angefangen die Gurte auch wegzulassen, aber ich bin dann doch sehr froh darüber, dass es diese Pflicht in Deutschland gibt. Immer wenn ich den Gurt weglasse höre ich innerlich die Stimmen meiner Eltern: „Sind alle angeschnallt?“ Äh ja…
  3. Einkaufen wann ich will: Sonntags einkaufen und nicht samstagabends eine Panikattacke bekommen, ein Traum. Der Supermarkt in Krupa hat montags bis freitags von 7 bis 22 Uhr und sonntags von 7:30 bis 21 Uhr auf. Davon könnten sich die Supermärkte in Lilienthal gerne eine Scheibe abschneiden – andererseits ist der frühere Feierabend und freier Sonntag natürlich auch gut für die Angestellten.
  4. Bissige Straßenhunde: Erst seit ich hier lebe, weiß ich wie wichtig es ist, dass sich in Deutschland Menschen um besitzerlose Tiere kümmern. Hier gehen Menschen spätabends und nachts nicht wirklich allein herum, da unzählige Hunde frei in der Stadt herumlaufen und sich oft zu Rudeln zusammenschließen. Generell haben die Hunde natürlich häufig Angst vor Menschen, da einige natürlich auch schlechte Erfahrungen haben. Aber gerade, wenn Hunde Hunger haben, traumatisiert sind oder sich zu Rudeln zusammenschließen können sie aggressiv und unberechenbar werden. Es gibt einige Geschichten von Menschen, die gebissen wurden, unter anderem auch eine meiner Schüler. Mir ist bis jetzt noch nichts passiert, aber ich habe im Dunkeln mehr Angst vor Hunden als vor anderen Menschen.
  5. Rechnungen in bar: Die Strom-, Wasser-, Müll- und Internetrechnungen können nicht per Überweisung bezahlt werden, sondern nur in bar. Ich weiß nicht genau, wo man dafür hinmuss, weil mein Vermieter das für mich macht, aber es ist natürlich ein großer Unterschied zwischen Bosnien und Deutschland.
  6. Deutsche Marken: Als ich nach Krupa kam, war ich wirklich überrascht. Im Supermarkt findet man Barilla, Heinz, Milka, Nutella, Haribo, Softis, Nivea, Garnier und viel mehr. Irgendwie war mir vorher gar nicht bewusst, dass es so viele deutsche Produkte hier gibt. In gefühlt jeder Stadt gibt es einen DM voll mit deutschen Marken und Produkten und hier kaufen ihre Jugendlichen fast alle Klamotten bei New Yorker.
  7. Infrastruktur: Für die 310 Kilometer nach Sarajevo brauche ich mit dem „Schnellzug“ acht Stunden, mit dem Auto etwa sechs Stunden. Zum Vergleich: Von Bremen nach Köln sind es 315 Kilometer und man braucht mit dem Auto etwas mehr als drei Stunden. Das sagt vermutlich alles. Allerdings liegt das hauptsächlich daran, dass ausschließlich Landstraßen durch das Land führen und es gibt nur eine Autobahn um Sarajevo herum, ansonsten befindet sich die Infrastruktur noch im Aufbau. Meistens darf man 60 km/h fahren. Schneller kann man an vielen Stellen aber auch nicht fahren, da die Straßen oft sehr kurvig sind.
  8. Unfertige Häuser: An vielen Stellen dieser Stadt und auch in anderen Städten gibt es unverputzte oder ungestrichene Häuser, viele Häuser sind von außen grau. Dafür gibt es eine einfache Erklärung: In Bosnien nimmt man sich keine Kredite zum Häuser bauen, das heißt man baut das, wofür das Geld reicht. Und dann ist eben das Äußere erstmal nicht so wichtig wie das Innere oder eben auch andere Ausgaben. Auch Kriegsspuren wie Einschusslöcher sieht man hier, genauso wie große Schlaglöcher in den Straßen. Inzwischen fällt mir das gar nicht mehr auf, aber am Anfang war es schonungewohnt.

Das waren einfach ein paar Dinge, die mir schnell aufgefallen sind. Vielleicht kann der ein oder andere sich jetzt ein paar Sachen besser vorstellen. Bis bald! :)

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