Urlaub, Vorbereitung und Abflug

 

Vor etwa 20 Stunden bin ich endlich in der Wohnung eingezogen, die die nächsten 6 Monte „zu Hause“ sein wird.

Es ist Sonntag, ich sitze entspannt auf dem Sofa und trinke Tee.

Die letzten Tage und Wochen waren allerdings alles andere als entspannt:

Zuerst geht es für mich nach Berlin; drei Tage, bevor das Vorbereitungsseminar beginnt und zusammen mit meinem Freund.

Von gutem Wetter über leckere Currywurst (für alle Nicht-Vegetarier) und ein erstes Tattoo bis hin zu angenehmen Stadtbummeln, ist unser Kurzurlaub eine sehr schöne Zeit mit einem umso schwereren Abschied

Props an Novalis und Co.

Vorbereitungsseminar

Am 01.09.2017, dem offiziellen Beginn des Freiwilligendienstes, startet also das zehntägige Vorbereitungsseminar in der Nähe von Berlin; die Shuttlebusse holen uns am Hauptbahnhof ab und schon während des Wartens überrollt mich das Gefühl der Reizüberflutung: Alle paar Sekunden sehe ich ein neues der 320 unbekannten Gesichter, lächle, frage, wo es denn hingeht. 

Endlich steigen wir ein, fahren los, bekommen unsere Zimmer zugewiesen. Ich sehe immer mehr Gesichter, höre immer neue Ländernamen und verspüre mittlerweile einen leichten Schwindel und das dringende Bedürfnis, einfach wieder nach Hause zu fahren.

Für derlei Gedanken bleibt aber nicht viel Zeit, denn wir werden offiziell begrüßt, das kulturweit-Team stellt sich vor und wie werden in unsere Homezones eingeteilt.

Das sind kleine Gruppen mit etwa 10 Teilnehmern und einem Trainer, die schon teilweise in die jeweiligen Ausreiseländer sortiert sind; ich war beispielsweise nur mit Leuten, die auch nach Osteuropa gehen, in einer Gruppe und konnte dort auch die ersten Drei kennenlernen, die jetzt mit mir in Belarus sind. Die Homezone-Einheiten waren super, um Ängste und Hoffnungen zu teilen, sich auszusprechen und Kritik an einfach allem zu üben, was einen gerade stört… -An dieser Stelle noch einmalein großes Dankeschön an die Homezone 22 und ihren Trainer Martin! 

Außerdem gibt es fast jeden Tag Workshops (meistens einen vor- und einen nachmittags), die man sich selbst aus einem riesigen Angebot aussuchen kann. Dort werden Themen wie Rassismus, Sexismus, Medienkompetenz, Nachhaltigkeit, aber auch die eigenen Gedanken und Gefühle zum Thema Heimweh und Kulturschock und Kreativität angespochen, diskutiert und -soweit es eben geht- verarbeitet.

Besonders letzteres ist nicht immer einfach, denn wie ist es möglich, täglich so unglaublich viel Input zu bekommen und nahezu keine ruhige Zeit zu haben, um alles noch einmal zu reflektieren.

Die nächsten Tage folgen alle einem mehr oder weniger geregeltem Ablauf:

Frühstück, Homezone oder Worksop, Mitagessen und Mittagspause, in der ich oft mit anderen Teilnehmern an den See, der zum Gelände gehört, spaziere oder (besonders gegen Ende des Seminars) den Schlaf nachhole, der am Vorabend zu kurz gekommen ist, wieder ein Workshop oder eine Homezone-Einheit, Abendessen und Freie Zeit, die ich wieder am See oder beim Spieleabend mit einigen anderen verbringe.

Oft kommen auch in der freien Zeit tiefgründige Gesprächsthemen und Diskussionen zustande (was letztere angeht vielleicht sogar die ein oder andere zu viel) und vor allem in diesem Momenten wird mir öfter als nur einmal bewusst, dass sich so viel mehr hinter einer Person verbirgt, als man nach dem ersten Smaltalk vermuten würde, und vor allem, dass vorschnelle Urteile fast immer umgeworfen werden und das ist auch gut so!

Gerade diese letzte Erkenntnis, die sich -wie ich glaube- genauso gut auf ein fremdes Land beziehen lässt, und das Wissen, dass andere Ähnliches wie ich erleben, werden mir meine Zeit hier sicher erleichtern!

Abschied

Nach diesen 10 Tagen, die rückblickend doch schnellervergangen sind, als erwartet, geht es ein letztes Mal nach Hause. 

Letzte Besorgungen werden gemacht, Koffer werden gepackt und langsam wird mir bewusst, dass mir alles doch nicht so leicht fällt, wie anfangs gedacht. 

Aber das ist okay; ich war bisher nie länger als maximal drei Wochen von zu Hause entfernt und wenn, dann ohnehin im EU-Ausland. Jetzt verlasse ich Deutschland für ein halbes Jahr. Ich werde das ersta Mal alleine wohnen und an einer fremden Schule arbeiten. Das alles in einem Land, in dem man quasi aufgeschmissen ist, wenn man kein Russisch spricht. 

Als ich mich schließlich von den Lieben verabschiede, was leider auch nicht so einfach ist, wie iches mir erhofft habe, dämmert mir langsam, dass ich jetzt wirklich einfach weg bin, aber realisiert habe ich es trotzdem nicht.

Am Gate in Düsseldorf bin ich fest davon überzeugt, dass das die dümmste und unüberlegteste Entscheidung meines Lebens war und dass ich jetzt überallhin fliegen möchte, nur nicht nach Minsk. -Dieser Gedanke wird nach einer Weile von dem Wunsch abgelöst, einfach loszufliegen und anzukommen, es hinter sich zu bringen… 

Abflug

Mit über zwei Stunden Verspätung hebt mein Flieger endlich ab und landet eine halbe Stunde später in Frankfurt. -Hier soll ich eigentlich unsteigen, aber wegen der Verspätung verpasse ich meinen Anschlussflug und verbringe die nächsten zwei Stunden damit, von Schalter zu Schalter zu wandern und herauszufinden, was mit meinem Gepäck passiert, wann der nächste Flug geht (am nächsten Morgen) und wo ich übernachte. 

Schließlich klappt aber alles ganz gut, ich bekomme ein Hotel und werde am nächsten Tag mit dem Shuttle wieder zum Flughafen gebracht. 

Diesmal ist die Wartezeit weniger schlimm, weil ich erstens froh bin, alles gefunden zu haben, zweitens zusammen mit einer anderen Freiwilligen fliege und drittens endlich sicher sein kann, in ein paar Stunden in Minsk zu landen und zumindest die Reise hinter mir zu haben.

Ankunft

Nach einer kurzen Flugzeit von etwa zwei Stunden landen wir und schaffen es mit unseren Migrationskarten problemlos durch die Passkontrolle. Am Gepäckband wartet noch eine dritte Freiwillige, die zusammen mit uns von einem Fahrer des Goetheinstuts abgeholt und in ein Hostel gebracht wird.

Verzweifelt versuche ich jedes Schild und jedes Wort zu lesen (ich weiß zumindest, wie man die kyrillischen Buchstaben ausspricht), aber ich brauche viel zu lange und wenn ich es doch schaffe, dann ergibt das Gelesene meistens immer noch keinen Sinn. Dafür sind aber die seltenen Fäle, in denen es klappt, umso bestärkender und euphorisierender. 

Im Hostel angekommen werden wir vorerst unser Gepäck los und spazieren durch Minsk. Alles ist total sauber und es gibt viele schöne Statuen und Kirchen. Außerdem gibt es hier im Vergleich zu Berlin irgendwie mehr Platz; alles ist breiter gebaut, es laufen weniger Menschen auf den Straßen (zumindest wirkt es wegen des vielen Raumes so) und überall hörem wir Russisch (das ist jetzt natürlich eher weniger verwunderlich, aber immer,wenn ich in ein neues Land komme, liebe ich es, dem Klang und der Melodie der jeweiligen unbekannten Sprache zu lauschen). 

Wir tauschen das erste Geld und versorgen uns mit belarussischen Snacks, bevor wir uns an einen Brunnen setzen und versuchen, zu verstehen, dass dieses Land und diese Sprache für uns schon bald viel weniger ungewohnt, ja fast alltäglich sein wird. 

Später am Abend kommen alle anderen zu uns ins Hostel (einige waren schon an ihren Einsatzstellen), weil am nächsten Tag eine Begrüßungsveranstaltung im Goetheinstitut (GI) ist, bei der wir (zumindest alle, die auch über das GI hier sind) auch unsere Anprechpartnerinnen kennenlernen werden. Es tut irgendwie gut, bekannte Gesichter um sich zu haben und alle noch einmal wiederzusehen.

Am nächsten Morgen laufen wir um kurz nach 9 los; Google Maps sagt, wir brauchen zu Fuß ca. 25 Minuten bis zum GI. und wir sollen um 9:30 Uhr dort sein. Google Maps hat aber nicht unser Gepäck (in meinem Fall zwei über 20kg schwere Koffer, eine Reisetasche und ein Rucksack) oder unsere -gelinde ausgedrückt- verbesserungswürdige Stadtplankunde von Minsk mitbrechnet, sodass wir am Ende in zwei verschiedenen Gruppen, durhgeschwitzt und 40 Minuten zu spät endlich ankommen. -Immerhin bekämpfen wir so das deutsche Pünklichkeitsklischee.

Nachdem wir Tanja und Marina, unsere Bezugspersonen im GI kennengelernt und ein paar offene Fragen geklärt haben, kommen die Deutschlehrerinnen aus unseren jeweiligen Schulen dazu und auch diese lernen wir kennen.

 Irina ist super sympathisch und hilfsbereit; sie erklärt mir, dass wir meinen Stundenplan in der Schule besprechen und dass dieses Jahr freitags kein Deutschunterricht ist, was für mich dauerhaft lange Wochenenden bedeutet! Außerdem hat sie einen Studenten gefunden, der sich bereit erklärt hat, mit mir Russisch zu lernen und mir Orscha zu zeigen.

Gegen Abend fahren wir mit dem Schnellzug zum Bahnhof in Orscha -etwa 2 1/2 Stunden Fahrt-, von dort sind es mit dem Taxi noch 5 Minuten bis zu meiner Wohnung. 

Wir klingeln (indem wir die Nummer der Wohnung in ein Zahlenfeld n der Haustür tippen und so praktisch anrufen, meine Vermieterin hebt ab und öffnet die Tür. 

Natürlich müssen wir mit dem Gepäck in den fünften Stock (ich lasse den Koffer, den ich trage, im dritten Stock liegen und bevor ich ihn selbst holen kann, wird er mir unangenehmer Weise hinterhergetragen). 

Die Wohnung ist geräumig, sehr sauber und als erstes fällt mir auf, dass es außer am Bad keine Türen gibt, was mich vermuten lässt, dass die Trennwände erst im Nachhinein gezogen wurden. Ziemlich ungewohnt, gerade, was das Schlafzimmer betrifft, aber ich wohne ja ohnehin alleine und habe überall meine Privatsphäre. 

Olga (die Vermieterin) ist sehr nett und erklärt mir auf russisch, wo ich was finde (ich sage ab und zu „Da“ und lasse mir das Wichtigste von Irina übersetzen) und nach zehn Minuten bin ich alleine und kann in mein neues Bett fallen.

 

Jetzt sitze ich wie schon erwähnt auf dem Sofa; ich war vorhin mit einer anderen Deutschlehrerin draußen und sie hat mir gezeigt, mit welchem Bus ich zur Schule komme und wo die wichtigsten Geschäfte in der Stadt sind. Danach bin ich noch etwas durch einen Park spaziert; alles ist sehr malerisch und auch hier gibt es viel PLatz… 

Morgen bin ich das erste Mal in der Schule; ich bin sehr gespannt und werde mich melden! 🙂

Bis dann und До свидания!

Eure Anna

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