Ultima zi in Sebes

Liebe LeserInnen meines Blogs,

ich sitze gerade, so wie des Öfteren, auf meiner alt eingesessenen Terrasse und falle in leichte Melancholie. Nun sind 3 Monate vergangen seit dem ich das erste Mal Fuß auf rumänischen Boden legte. 3 Monate die mir vorkamen wie 3 Wochen. In dieser Zeit ist unfassbar viel passiert, worüber es sich zu Berichten lohnt, doch ich konzentriere mich in den Folgenden Zeilen auf das Wesentlichste.

Seit 10 Tagen bin ich wieder in Sebes. Vorher war ich eine Woche lang auf dem von kulturweit organisierten Zwischenseminar in Lviv (Ukraine). Es kamen Freiwillige aus Lettland, Estland, der Ukraine, der Republik Moldau und Rumänien zusammen. Wir haben über unsere Erfahrungen in den jeweiligen Einsatzländern gesprochen, sowie weitere personen- und länderorientrierte Inhalte reflektiert und diskutiert. Am Mittag bin ich dann meistens von unserem Seminargelände in einer Vorstadt in die Altstadt gefahren und bin durch die Gassen gebummelt. Lviv ist eine sehr impulsive Stadt mit toller Architektur und einer außergewöhnlichen guten Esskultur, die wie ich finde zu einer der schönsten Städte in Osteuropas zählt. Ich habe nicht gewusst, dass es neben russisch-orthodox auch die ukrainisch-orthodoxe Kirche gibt. Dies hat unter anderem auch politische Beweggründe und die ukrainisch-orthodoxen befinden sich mit ihrer Ausrichtung sehr nah am Vatikan. Allgemein ist das anti-russische in der Mentalität der Leute deutlich spürbar. Egal ob Proteste vor dem Rathaus, Plakate für die Freilassung aus russischer Haft oder Einwohner die insistieren, sie würden „Ukrainisch“ sprechen und auf keinen Fall „Russisch. Alles in allem ein aufregender Aufenthalt mit vielen neuen Facetten.

Die ukrainisch-orthodoxe Kirche Lviv’s

 Eine sowjetische Bank

Heute am 14.6 ist also der letzte offizielle Schultag und es geht nun für die Schüler des Colegiul National Lucia Blaga bei 32 Grad in die 3 monatigen Ferien bis sie dann Mitte September aus Neue an die Schreibhefte müssen. Bevor sie jedoch entlassen wurden, gab es eine Zeremonie im Schulhof, bei der die besten Schüler jedes Jahrganges geehrt wurden und ein „Diploma“ sowie Geld erhalten haben. Diplome scheinen hier wohl eine sehr beliebte Währung zu sein denn selbst ich habe 6 davon im Koffer für Teilnahme an Spracholympiaden, Workshops&Co. Das beliebteste Reiseziel der jungen Siebenbürgener scheint sowohl Griechenland als auch Kroatien zu sein, so wie es mir die Schüler mitteilten. Als dann die Zeremonie vorbei war, wurde ich im Lehrerzimmer verabschiedet und machte mich auf zu einem meiner Freunde um von seiner Oma hausgemachte Sarmale und frisch fermentierte Holunderlimonade zu trinken. Leider gibt es in der Nähe kein Freibad oder betretbare Seen, denn es ist nun seit zwei Wochen jeden Tag über 30 Grad im Schatten. Ich wandere dann also mit vollem Bauch so durch die engen Gassen von Sebes und bin auf der einen Seite froh, dass es nun zunächst nach Hause geht, bevor es dann weiter nach Bukarest geht um an einem rumänischen Sprachkurs teilzunehmen, da ich meine Familie und Freunde vermisse. Zum anderen jedoch, habe ich mich nach den vergangenen Monaten erst so richtig einleben können und die Sprache ein wenig zu sprechen gelernt um die englisch Defizite bei einigen wenigen etwas auszugleichen. Nun, zum Ende hin, habe ich gute Freunde gefunden aber muss sie auch schon wieder verlassen. Freunde, die einem die wahren Winkel Rumäniens zeigen, die einem als Außenstehender so oft verwehrt bleiben. Dies können etwa kleine Tunnel sein die man im Gebirge ohne Wissen niemals finden würde und die einen an entlegene Orte bringen oder Rezepte, etwa wie Holunderlimonade mit Hefe fermentiert wird und sich dann im Sommer zu einer kalten Erfrischung verwandelt. Jedoch ist es mir am liebsten den Sonnenuntergang anzuschauen, in der die Sonne in den Weiten der Karparten in immer dunkler werdenden rot Tönen langsam untergeht.

 Sonnenuntergang beim Rapa Rosie

Ich hatte jedoch auch viel Zeit um einfach nur da zu sitzen, zu denken, zu reflektieren. „Konstruktive Langeweile“ wie ich es so schön nenne, denn anders als zuhause gibt es hier weniger Möglichkeiten etwas mit seiner Zeit anzufangen. Ich habe viel neues über mich selber gelernt, etwa das ich nicht gut mit Langeweile klarkomme aber auch das man keine Angst haben soll auf Leute zuzugehen, egal woher sie kommen und welche Sprache sie sprechen, denn in der Zeit in der wir zögern vergehen wesentliche Minuten, Stunden, Tage und das musste ich in meiner kurzen Zeit in Rumänien selbst erfahren, welche Auswirkungen das hat. Viele 12. Klässler mussten sich nämlich in den letzten 4 Wochen ihrem „Abitur“ widmen und mussten zusätzlich noch Arbeiten. Dementsprechend hatten sie kaum noch Freizeit und hätte ich eher den Kontakt zu manchen jetzigen Freunden gesucht, hätte man vielleicht noch einige weitere schöne Stunden zusammen verbracht. Des weiteren habe ich (auch wenn sich das recht kitschig anhört) eine neue Definition von Heimat gefunden. Nämlich ist diese nicht an einen Ort gebunden so wie sich das viele Vorstellen. In Rumänien etwa ist die Offenheit, die Gastfreundschaft und die Leichtigkeit Heimat für mich und ich werde mich mein Leben lang daran erinnern können und sagen, ich habe diese Werte zurück zu meinem tatsächlichen Zuhause gebracht und meine Heimat dadurch erweitert.

Zeremonie am letzten Schultag

Nun werde ich die alten Schmutzsachen vom Schrank holen und mein Gepäck packen und hoffen, dass der Transfer den ich für morgen um 5 Uhr früh gebucht habe auch pünktlich kommt. Eine komische Mischung aus Traurigkeit und Zuversicht macht sich bei mir breit. Ich werde ganz sicher irgendwann wiederkommen und dann mit fließendem rumänisch im Koffer.

La revedere Sebes!