Münster goes Mühlbach

Meine Reise begann mit einem Riß in der Frontscheibe.

Als ich am Morgen des 14.3, mental aufgeladen, unsere Wohnung verließ und am Flughafen Münster/Osnabrück ankam und bereits meinen Koffer abgegeben und durch die Sicherheitskontrolle gegangen bin, kam die Durchsage, der Flug sei gecancellt worden… Das Flugzeug hatte wohl auf einmal einen gravierenden Riß in der Scheibe. Daraufhin musste ich, verständlicher Weise dezent angenervt, meinen Koffer abholen und wurde auf den Folgetag umgebucht. Am Freitag ,dem 15.3 sollte es dann also offiziell losgehen und der Flieger nahm pünktlich um 13 Uhr Kurs auf München, wo es von dort weiter nach Hermannstadt/Sibiu gehen sollte. Als ich dann also maximal pünktlich am Gate des Fluges ankam, teilte uns ein Sprecher mit, das Flugzeug habe den Startflughafen noch nicht verlassen und man könnte den Passagieren noch nicht mitteilen wann es denn weitergehen könnte. Nach einer kurzen Atempause schrieb ich meiner Ansprechperson, Frau Suciu in Sebes, die so freundlich war und mich vom Flughafen abholen gewollt war, dass mein Flug Verspätung hat. Diese wiederum teilte mir mit, dass Sie bereits am Flughafen warten würde. Ungefähr 3 Stunden zu früh. Nach weiteren 2 Stunden Wartezeit, 2 Stunden Flugzeit und ausgerüstet mit einer Schachtel Toffife als Entschädigung, war Sibiu nun endlich in Sichtweite. Als wir zum Landen ansetzten, sah ich bereits während des Sonnenuntergangs am Ende des Horizonts die schneebedeckten Karpaten und die letzten 1 1/2 Tage waren wie vergessen. Nach dem Landen hieß es auf meinen überbepackten Koffer warten, was von einem ca. 2 Minütigen Stromausfall überschattet wurde. Leider erwischte mich dieser Eiskalt am Pissoir mit denkbaren Folgen. Frau Suciu wartete bereits am Ausgang auf mich und fuhr mich zu meinem Einsatzort, in das 50 km entfernte Sebes. Daraufhin fuhr Sie bei Nacht einmal durch den Ort, um mir einen groben Überblick zu geben und brachte mich kurz darauf zu dem Gästezimmer in der Evangelischen Gemeinde, welches für das nächste halbe Jahr mein Zuhause sein wird. Da ich an einem Freitag anreiste, hatte ich das Wochenende Zeit um anzukommen und mich zu akklimatisieren. Ich nutzte die Zeit und erkundetet den überschaubaren Ort bei herrlichen 22 Grad. Ich wohne direkt an der Bulevardul Lucian Blaga, der Hauptstraße der Stadt, von der aus vor Allem meine Einsatzstelle, das Lucian Blaga National College, zu Fuß zu erreichen ist. Sobald ich mein Apartment verlasse, springt mir die eindrucksvolle evangelische Kirche mit ihrem Mosaik verzierten Dach ins Auge, die das Stadtbild (zu Recht) dominiert. Direkt um die Ecke sind etliche Lebensmittelgeschäfte, Metzgereien und Obststände. Auf der rechten Seite der Kirche befindet sich ein kleiner Park, wo bei gutem Wetter die älteren rumänischen Herrschaften Boule spielen und auf den Parkbänken verweilen und sich sonnen. Neben der oben genannten Kirche befindet sich eine traditionelle Grundschule, an der in deutscher Sprache die Worte „Bildung ist Freiheit“ angebracht sind. Diese Worte fande ich persönlich sehr ergreifend und bieten viel Raum für Interpretation.

Es herrscht eine sehr lockere und entspannte Atmosphäre und die Einheimischen sind sehr gastfreundlich und geben ihr bestes in Sachen Englisch, wenn man mal eine Frage hat. Die meisten Häuser sind Einfamilienhäuser in wunderschönen unterschiedlichen Farben und besonders auffällig ist, dass die Stromversorgung bei jedem Haus überirdisch verläuft und somit die Luft voller Kabel ist.

Abgerundet habe ich den Tag mit einem kleinen Kochexperiment, nämlich Sauce Bollognese. Nach meiner Erkundungstour habe ich am Folgetag eine kleine Wanderung eingeschlagen und wollte zum sogenannten Rapa Rossi wandern. Dies ist eine von Wind- und Wassererosionen geformte rote Felswand, die etwas an den Grand Canyon erinnert. Dieses Naturschauspiel ist einzigartig in Europa und verschlug mir echt die Sprache.

Als ich eine Stunde über alle möglichen Steigungen gekraxelt bin und am Ziel angekommen war, die Aussicht genoß, wollte ich nicht den gleichen Weg zurückgehen und entschied mich an den Felsen vorbei und in das angrenzende Tal hinab zu steigen. Diese Entscheidung war allerdings folgenschwer, da ich auf dem Rückweg, neben der herrlichen Landschaft, auch durch eine Autodeponie gehen musste und es von Straßenhunden nur so wimmelte. Einige bellten mich aus der Ferne an doch ich musste an ihnen vorbei um wieder auf die Hauptstraße zu gelangen. Ich versuchte langsam und ruhig zu bleiben, da ich normalerweise das Gegenteil von Angst verspüre wenn ich Hunde erblicke. Doch dieses Mal rannten die Hunde nach einiger Zeit kläffend auf mich zu und ich rannte wie ein Irrer auf den nächsten Zaun zu und sprang hinüber. Dabei holte ich mir zwar eine leicht zerrissene Hose aber auch eine Blog-Werte-Geschichte. Daraufhin gönnte ich mir bei Papa Georgi einen Teller Schweine Kottlets, eine Suppe, zwei Cola, einen Latte Macchiato und ein Eis für 75 Lei ( umgerechnet ca. 15 Euro)

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Am Montag, den 18.3 sollte dann also mein faktisch erster Arbeitstag sein und ich stand um Punkt 7 Uhr auf und wartete um 8 Uhr zu Schulbeginn vor dem Lehrerzimmer auf das Eintreffen von Frau Suciu. Die Schule ist in drei Gebäude unterteilt. Eines für die Jahrgangsstufen 5-8, eines für die Oberstufe (Lyzeum) und eines für Informatik/Technik. Die Klassenräume sind mit mehreren Zweiertischen in drei senkrechten Linien aufgeteilt und fast alle mit Smartboards und Beamern ausgestattet und sind ausgesprochen modern. Bis zu diesem Zeitpunkt wusste ich jedoch noch nicht ob ich etwa selber als Deutschlehrer tätig sein werde oder die Lehrer nur bei ihrem Unterricht unterstützen sollte. Am ersten Tag hieß es jedoch weder noch, da das komplette Lyzeum das Baccalaureate simulierte und somit der Deutschunterricht entfiel. Allerdings hatte mich Frau Suciu bereits gewarnt, dass es in der ersten Woche etwas chaotisch werden könnte. Ich betrat das Lehrerzimmer und wurde von allen Lehrern herzlich empfangen und durfte zwischen Ihnen platz nehmen. Ich landete dann nach einem hin und her als „Gasthörer“ im Erdkundeunterricht bei Herrn Ilyan, der von jetzt auf gleich die Lingua Franca von Rumänisch auf Englisch umstellte, damit ich dem Unterricht folgen konnte ( und das in der Achten Klasse über das Thema erneuerbare Energien!). Daraufhin folgte Englischunterricht, wo ich mich vorstellen sollte und mit den Schülern einen kleinen Dialog über unterschiedliche Hobbys, von Fussball über Basketball bis hin zu American Football, führen sollte. Ich stellte fest das, anders als bei uns in Deutschland, die Schule nur von 8-14 Uhr geht und ehe man sich versieht, der Tag auch schon fast vorbei war. Als es um 12 Uhr eine 20 minütige Pause gab, kam ich mit einigen Lehrern ins Gespräch (Manche Lehrer können hervorragend Deutsch und fast alle Englisch). Neben Fragen bezüglich meiner Motivation, meiner Hobbys und meinen ersten Eindrücken, wurde permanent gefragt ob ich Basketball spielen würde. Herr Ilyan sagte, dass er nun unweigerlich den Titel des größten Lehrers abtreten müsste. Ebenfalls teile er mir mit, dass er vorletztes Jahr 3 Monate in Deutschland gearbeitet hat. Zum „Traubenlesen“. Dann hat er gefragt „Gathering grapes? Is that correct?“ und ich war auf ein Mal total verdutzt und fragte naiver (und auch unverschämter) Weise „Yes it is but why did you do that?“. Er entgegnete daraufhin anrüchig “ Für Geld (?!)“. Ich konnte mir in diesem Moment einfach nicht vorstellen, dass ein Lehrer an einer rumänischen Eliteschule, der in seinem Fach den Unterricht mühelos von Rumänisch auf perfektes Englisch switchen konnte, nach Deutschland fliegt und dort als Gastarbeiter Trauben erntet. Ich habe mich nach dieser Bemerkung geschämt und an dem Tag nicht mehr mit ihm geredet. In der letzten Stunde sollte ich eine Klasse übernehmen, da die Lehrerinn etwas zu bezüglich der anstehenden Deutschprüfungen zu organisieren hatte. Ich ging mit den 6 Klässlern nach draußen, wobei keiner von ihnen englisch geschweige denn deutsch sprechen konnte. Und was macht man draußen mit einer Gruppe voller 12 Jähriger und einem Ball auf der Wiese? Richtig! Völkerball! Jungs gegen Mädchen. Einfach zu erklären und neben dem pädagogischen Lehrwert der „Gewaltverherrlichung „auch noch zu tiefst amüsant.

Am Dienstag war also dann mein „richtiger“ richtiger Arbeitstag und ich lernte die 4 Deutschlehrerinnen kennen und mir wurde mein Arbeitsplan überreicht. Ich werde nun tageweise an der Seite, der mir zugewiesen Lehrerin, dem Unterricht assistieren. Die Stunden an diesem Tag begannen mit dem Austeilen eines Arbeitsblattes, welches etwa als Beispiel, eine Reise nach Wien beinhaltete und wir gemeinsam zum Thema „Reisen“ aus dem Text Vokabular an die Tafel brachten und dieses Tafelbild am Ende Gemeinsam weiter ausfüllen sollten. Auf dem Schulhof sah ich plötzlich während der Pause ungefähr fünf Polizeiwagen mit Blaulicht und Einsatzkräfte mit MP5 und Sturmmasken. Alle Schüler und Lehrer blieben jedoch seelenruhig und es stelle sich heraus, dass an diesem Tag wohl der „Geburtstag“ der Polizei sei und sie so laut eines Schülers, Werbung für ihren Beruf machten. Auf dem Nachhauseweg wurde ich von mehreren Rumänischen Schülern angesprochen und wir kamen ins Gespräch woraufhin sie mich zum Cevapcici essen mitnahmen. Nach einigen ersten Tagen zeichnet sich ein sehr charmantes und liebenswürdiges Bild der Stadt Sebes ab und ich freue mich bereits auf die kommenden Tage an der Lucian Blaga.

 

 

P.S. Bisher habe ich noch keine Vampire entdecken können.